Mundart

Mundart in Irmenach: Freud und Leid auf Platt ausgedrückt


Freud und Leid lagen nahe beieinander, als die rund 70 Gäste im Friedrich-Karl-Ströher-Saal einem Mundart-Video von Alfred Marx zuschauten. Marx, in Irmenach „Awied“ genannt, war vor mehreren Jahrzehnten aus beruflichen Gründen vom Hunsrück nach Essen gezogen, sein gefilmter Vortrag über die „Radschläa vun Ärmenach“ war aber gespickt mit Erinnerungen, kleinen Anekdoten und Liedern auf Irmenacher Platt. Es war für alle Besucher beeindruckend und zu Herzen gehend, die Sicht eines Jugendlichen auf die Weltkriegszeit und deren Folgen zu hören. In Irmenach sprach man früher über die im Krieg Gefallenen „die honn dat Rad geschlaan“, und Marx erzählte in seinem, wie er es nannte, „Selbstbedienungs-Video“ von vielen persönlichen Ereignissen und Tragödien. Aber er wusste auch von lustigen Begebenheiten zu erzählen, was an mancher Stelle mit Lachen und Kopfnicken aus dem Publikum quittiert wurde.

In diesem Bild sieht man den Ortsbürgermeister Martin Kirst.
In diesem Bild sieht man den Verbandsbürgermeister Marcus Heintel.

Stephanie Schell vom AK Dorf hatte zuvor den Abend mit einem Gedicht in Irmenacher Mundart eröffnet. Dem schlossen sich Ortsbürgermeister Martin Kirst und Bürgermeister Marcus Heintel, als Gastgeber und Mitveranstalter, an und würdigten dabei die vielfältigen Aktivitäten des Arbeitskreises, der die Gäste an diesem Abend rundum verwöhnte. Es folgten weitere Gedichte und Vorträge in Mundart, unter anderem eine freie Übersetzung von Janoschs „Liebes-Ei“, das von Ingrid Tatsch zunächst im Original und anschließend von Renate Kirst auf Platt vorgetragen wurde.

Dr. Fritz Schellack, Leiter des Hunsrück-Museums in Simmern, schlug dann in seinem Vortrag die Brücke von der Mundart über Alfred „Awied“ Marx zu Friedrich Karl Ströher. Auch Ströher war als Irmenacher Kind in den Krieg gezogen und hat diese Erlebnisse auf die Leinwand gebracht. Ihn und Marx verbindet die Heimat Irmenach und die langjährige Verbundenheit mit ihrem Heimatdorf. Die Besucher des Mundart-Abends spürten in den Vorträgen, dass Mundart und Heimat eng miteinander verbunden sind, selbst wenn man irgendwann woanders Wurzeln geschlagen hat.

Foto: „Alfred ‚Awied‘ Marx bei seinem ‚Selbstbedienungs-Video“

Quelle: Stephanie Schell, AK Dorf Irmenach

 

Texte aus der Feder von Helmut Schmidt aus Beuren:

aus: „Fast vagessene Sitte und Bräuch en Ärmenach und Bäire“ (1998)

Am Naujohrschdach finget ann,

die Kenna säin in die Nobaschaft gang, on hon gewenscht en gut nau Johr.

Zum dank hon se 5 Grosche kriet, so ebbes jo nemeh geschieht.

 

Em Wenda säin die Dorfmäd owens beinanner kom,

en da Märemay hon se gestreckt und gesponn.

Jedes mol en änem annere Hous, die Alde nohme dann räisous.

Die Jonge hon net gefählt, hon Raulichkäte gemach on Witze vazehlt.

 

Wenn die Glock hot gelout außer der normal Zäit,

dann war et wiera mol so wäit, dat dä Vorsteher wat hot bekannt se mache,

vom Kräs, vom Amt ora Gemänesache,

 

Wat hon mer geschafft for die Gemäin,

em Friehjohr mußt ma paar Meder gekloppte Stän en die Flurwääsch fahre,

die Gemäin konnt so viel Koste spare.

Em Suma ging et en de Wald, aus jerem Hous äner, ob jung orer ald.

Plansesetze, Kulturbotze, alles en da Fron, ma waret emmer so gewohnt.

Doch dann war am letzte Dach Grond zum fäijere,

en Ämmernach on Bäire.

 

aus: „Äich dun mäich jo so schenere“

Als kläner Jong fing et schon an, kaum war äich en die School ren gang.

Do war äich emma so nervös, on gän die Lehrer schinerös.

War zwar gar net so domm, ging paar Johr of dat Gymnasium,

doch konnt äich net studere, wäil äich mäich jo so schenere.

 

Späara en där landwirtschaftlich School war äich mäsdens ziemlich cool.

Do konnt äich iwa mäine Schatte springe, ging en dä Gesangverein zum singe.

Wenn äich och net gut singe kann, äich lousdere of dä Näwemann.

Zum Schlofe dobai, war äich net zu schneres – doch dä Dirigent war manchmol bes.

 

Och beim beliebte Handballsport ware die Hemmungen net emma fot:

Kam äich merm Balle mol fräi for dat Door, kom jet jo net selte vor, dat äich vorbäi geschmeß dann hon, dä Gegschner hot am Än gewonn.

Hout säin äich nor noch Fan der HSG.

Weil die fast nie valere, brouch äich mäich net se schenere.

 

Doch als Jüngling bei dä Mäd quält mäich oft mai Schüchternhät.

Trotzdem wolle viel Mäd et met mea prowere, doch vorm Häirare dun äich mäich läida schenere.

Och dä Führerschein mache war en ofräschend Sach, bei Klasse zwo hat äisch nächst en die Box gemach. Lastwan fahre konnt äich net resgere – weil äisch mäich jo so schenere.

 

Em Krankehous beim Bruch oberere, vahennert die Spritzt dat schenere.

Dat miest ma doch ämol gelinge, dat äich kennt iwa maine Schatte springe.

For en Dokta wäret bestemmt en Klänigkäit, mäich zu befreie von där Schüchternhäit.

 

An ebbes denke äich schon viel: an dat Änn, mai Läwensziel:

gän dat Stärwe kann sich jo niemand wehre, wenn äisch mäisch och dodevor schenere.